Rezensionen

 

Rezensionsbeitrag

In gekürzter Fassung: Main Echo, 21.11.2012

(von Michael Hofmann)

Kahl. Er war als Partylöwe verschrien und tiefsinniger Philosoph zugleich. Sein Vater wollte,
dass er Pastor wird – er aber wollte nur eines: schreiben. Im kommenden Jahr würde der
dänische Philosoph, Schriftsteller und Theologe Søren Kierkegaard 200 Jahre alt werden. Zur
Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr hat Florian Stickler, promovierter Philosoph aus Kahl,
eine Art Lesebuch über Kierkegaard verfasst: „Der süße Tropfen in der sauren Milch“.
Søren Kierkegaard, am 5. Mai 1813 geboren, wuchs in einem streng religiösen,
protestantischen Elternhaus auf. Die erste Frau seines Vaters und fünf seiner Geschwister
starben früh: Deswegen meinte der Vater, ein Fluch liege über der Familie. Schwermut und
Melancholie lagen über Kierkegaards Kindheit. Dem Wunsch seines reichen Vaters, er solle
Pastor werden, entsprach er nicht.
Stattdessen studierte er in Kopenhagen und Berlin Philosophie und Theologie. Sein erstes
Buch, „Entweder – Oder“, machte ihn schnell berühmt. Kierkegaard gilt als Begründer der
Existenzphilosophie und veröffentlichte in der Folge zahllose Werke, teilweise unter
Pseudonymen. Zugleich war er in der Stadt als „Dandy“ bekannt. Die Ideen des Christentums
verteidigte er, kritisierte aber umso heftiger die reale Erscheinungsform der Christenheit. Mit
nur 42 Jahren starb er in Kopenhagen.
Einer von Kierkegaards Spurenlesern ist Dr. Florian Stickler, selbst Philosoph und
Kunsthistoriker. Das Werk des dänischen Autors hat den gebürtigen Kahler inspiriert, eine
kurze Einführung in das Denken Kierkegaards zu schreiben. Entstanden ist dabei eine 50-
seitige Schrift, die auch nicht philosophisch bewanderten Lesern eine Ahnung ermöglicht,
was den Kopenhagener Philosophen bewegte.
Denn die „unwesentliche Niederschrift zu Kierkegaards Jubiläum 2013“, so der Untertitel, ist
keine wissenschaftliche Abhandlung. Stickler unternimmt vielmehr den Versuch, in die Rolle
von Kierkegaard zu schlüpfen. Es beginnt mit einer Zeitanalyse: Genauso, wie Kierkegaard es
in seinen Schriften getan hat, lässt Stickler sich über die Absurditäten der Gegenwartskultur
aus. 2000 Büchereinheiten kann man locker auf einen E-Reader speichern – „aber wäre es
nicht besser, ein Buch zu lesen, als 2000 zu speichern?“
Es folgt eine kurze Biographie des Lebens von Kierkegaard, danach eine Geschichte. Wie der
Däne auch verwendet Stickler ein Pseudonym und erzählt eine fiktive Begegnung mit ihm auf
dem Friedhof – alles mit dem Ziel, das Denken Kierkegaards lebendig werden zu lassen. Am
Ende steht eine Zusammenfassung des Werks von Kierkegaard, der das Leben des Menschen
in drei Stadien einteilte.
Auf der ursprünglichsten Stufe, der „ästhetischen“, lebt der Mensch oberflächlich und
unreflektiert, ohne sich über sich selbst im Klaren zu sein. In einer zweiten, der ethischen
Stufe, wird er sich seiner selbst bewusst und erkennt seine Verantwortung vor sich selbst und
der Welt. In einem dritten, dem religiösen Stadium, begreift der Mensch, dass er eine Existenz
einem unendlichen Wesen, Gott, verdankt, zu dem er in ein existenzielles Verhältnis treten
will.
Warum und wie Kierkegaard auch heute noch aktuell sein kann, fasst Stickler in einer Art
Geburtstagsansprache an den Jubilar zusammen. Das Kierkegaard-Heft kann zum Preis von
fünf Euro über die Homepage des Autors, www.stickler-pp.de, bestellt werden.

Stickler ist auch bereit, auf Anfrage Vorträge über Kierkegaard zu
halten. Derzeit bietet er Vorlesungen zum Thema in der Volkshochschule Würzburg an, wo er
auch eine „Philosophische Praxis für angewandte Philosophie“ betreibt. mgh

 

 

 

Ein Abglanz von Unendlichkeit

Beitrag zur Buchneuerscheinung: Nachgesichte, die begrenzte Ewigkeit!

Main Echo, 24.12.2011

(von Michael Hofmann)

Kahl. 1357 Ergebnisse: So viele Treffer liefert die Buchsuche beim Online-Händler Amazon,
wenn man den Begriff „Traumdeutung“ eingibt. Dr. Florian Gernot Sticklers neues Buch
„Nachtgesichte, die begrenzte Ewigkeit“ gehört – um es gleich vorweg zu sagen – nicht in
diese Reihe psychologischer oder esoterischer „Traum“-Werke. Der gebürtige Kahler
betrachtet das Phänomen des Traums aus einer ganz anderen Warte – derjenigen, die seiner
akademischen Bildung entspricht.
Er ist promovierter Philosoph und sucht deshalb einen geisteswissenschaftlichen Weg, um
hinter das „Geheimnis des Traumes“ zu kommen, der auch heute noch so viel Raum – siehe
oben – für Spekulationen, Sehnsüchte und übersinnliche Erklärungsmodelle lässt. Stickler
geht die Sache gründlich an und beleuchtet die Rolle des Traums in den verschiedenen
Epochen.
Er beginnt – nach einer Begriffsklärung – mit einer Episode aus dem Alten Testament: Gott
spricht in der Nacht zu Samuel. Dieses „Nachtgesicht“, wie Träume zu jener Zeit in Israel
hießen, verleiht ihm, wie allen späteren Propheten auch, religiöse und politische Legitimation,
arbeitet Stickler heraus. Auch in der klassischen Antike war der Traum nichts rein Privates:
Das Orakel von Delphi etwa traf – durch Orakelsprüche ekstatischer Priesterinnen –
Entscheidungen, die die Geschichte maßgeblich beeinflussten.
Stickler untersucht die „innere Stimme“ des Sokrates, die den Philosophen vor nachteiligem
Handeln bewahrte, oder den Kultort Pergamon, an dem Kranke im Schlaf Hinweise auf ihre
Heilung bekamen. Aus der Spätantike und dem frühen Mittelalter kommen Augustinus oder
Anselm von Canterbury zu Wort, ebenso wie Hildegard von Bingen. Sie schrieb ihre Visionen
mit prophetischem Inhalt nieder, was ihr gesellschaftlichen und politischen Einfluss
einbrachte.
Die Reise durch die Philosophiegeschichte führt weiter über den muslimischen Mystiker und
Philosoph Abu Bakr Ibn Tufail und den großen Universalgelehrten Albertus Magnus zum
Theologen Thomas von Aquin. Ihn, der jahrzehntelang rational in Theologie und Philosophie
forschte und lehrte, brachte ein Traum dazu, den Griffel für immer wegzulegen: Danach kam
ihm alles, was er zuvor geschrieben hatte, „wie Stroh vor“.
In der Reihe der Persönlichkeiten folgen der christliche Mystiker Meister Eckhart, Martin
Luther und dessen Zeitgenosse, der Reformator Philipp Melanchthon, der seine
Traumgesichte nicht nur öffentlich und detailliert mitteilte, sondern sie auch als persönliche
Entscheidungshilfe nutzte. Stickler untersucht, was Philosophen der Neuzeit wie Descartes,
Leibniz, Kant und Hegel zum Thema zu sagen haben und was es mit Schopenhauers
Vermutung eines „Traumorgans“ auf sich hat.
Seine Schlussfolgerungen werden alle enttäuschen, die auf der Suche nach unentdeckten
Geheimnissen sind: „Nicht die Traumwelt bestimmt den Tag, sondern die Erlebnisse des
Tages konstituieren die Nachtwelt.“ Stickler ist überzeugt: Der Traum als Traum ist zunächst
nichts – „erst durch die Mitteilung in der Wachphase wird Innovation, Kommunikation und
Einfallsreichtum hervorgebracht“. Weil aber im Traum Zeit und Raum entgrenzt werden,
findet sich darin „ein Abglanz von Ewigkeit und Unendlichkeit“.
Für alle aber, die die Materie einmal nüchtern und philosophisch bearbeitet lesen wollen, ist
Sticklers Buch eine Fundgrube. Es hat einen wissenschaftlichen Anspruch und ist trotzdem
allgemeinverständlich geschrieben. Zugleich ist es eine gute Zusammenfassung der
europäischen Geistesgeschichte: Zu jeder Beispiels-Persönlichkeit gehört ein kurzer Abriss
ihres Lebens und Wirkens.
Er sei „kein Psychotherapeut“, meint Stickler. Traumdeutung und –analyse will er anderen
überlassen. Ihn habe vor allem interessiert, was „der Traum mit uns in der Wachwelt tut“. Das
Buch endet mit einer gelassenen Empfehlung: „Immerzu ist Träumen das einzig realistische,
was man tun kann.“ mgh
Nachtgesichte, die begrenzte Ewigkeit. Die Zukunft ist gestern, oder: Die innere Wirklichkeit
und ihre Abschaffung nach außen. Verlag Monsenstein und Vannerdat, Reihe: MVWissenschaft,
ISBN 978-3-86991-414-5, 290 Seiten, 16,90 Euro.
Zur Person:
Florian Gernot Stickler wurde 1976 in Hanau geboren und ist in Kahl aufgewachsen. Er hat in
Würzburg Klassische Archäologie, Philosophie und Kunstgeschichte studiert und wurde 2009
mit dem Thema „Neudurchgang durch Platons Frühdialog Lysis“ zum Doktor der Philosophie
promoviert. Inzwischen betreibt er in Würzburg eine „Philosophische Praxis für angewandte
Philosophie“ und bietet neben Einzelgesprächen auch Gruppenseminare, Workshops,
Vorträge und Beratungen an. Weitere Infos auf seiner Homepage: www.stickler-pp.de. mgh

 

 

 

Zum Tagesseminar, 22.09.2018, Thema: "Leib und Seele" (Anonymisierte Mail aus Datenschutzgründen!)

 

Datum: 24. September 2018 um 11:30
> Betreff: Re: F. G. Stickler
>
> Lieber D. Stickler,
>
> Die Fahrt war kein Problem, obwohl sie ist schon etwas lange.
> Wir waren wirklich sehr beeindruckt von Ihrer Veranstaltung. Mit was für einer Liebe Sie und ihre Eltern das alles gemacht haben! Wo bekommt man solche Köstlichkeiten zu
> Essen gereicht.
> Alles war gelungen - die Kombination der Vorträge. Und Sie waren, wie immer brillant.
> Vielen Dank für alles.